Saskia und Harry on Tour

Deutschlands wohl härtester Radmarathon

Text von Harald Hartmann
Dieses Mal verschlug es uns in den Schwarzwald. Angelockt hat uns das noch junge Event „Schwarzwald Super“, der wohl härteste Radmarathon Deutschlands.

Während Saskia sich über die Silberstrecke mit 180 km und 4300 Höhenmetern versuchen wollte, startete Harry auf der Goldstrecke. Dort erwarteten ihn auf 260 km sage und schreibe 6500 Höhenmeter. Beide waren wir auf einer Veranstaltung noch nie so viele Höhenmeter an einem Stück gefahren.

Am Samstag, den 09. September bezogen wir im schönen Münstertal auf einem 5 Sterne Campingplatz unser Quartier. Bei schönstem Sonnenschein und 28 Grad holten wir am Nachmittag in der Belchenhalle unsere Startunterlagen ab. Wir hatten uns auf diese Veranstaltung gut vorbereitet, als wir aber die Startunterlagen in den Händen hielten, überkam uns dieses unbeschreibliche flaue Magenkribbeln. Jetzt war es bald soweit. Würde unser Training ausreichen um über die Schwarzwaldberge Kreuzweg, Hochkopf, Schauinsland, Thurner, Brend, Kandel, Rinken, Feldberg und Hohtannhöhe ins Ziel zu kommen? Würden wir den richtigen Rhythmus in den Anstiegen finden? Hält das Wetter? Fragen über Fragen.

Den Nachmittag verbrachten wir mit einem letzten Check unserer Räder und dem Anbringen der Startnummern. Wenig später stieß Saskias Freund Stephan noch zu uns. Gemeinsames Thema war immer wieder der Wetterbericht. Bis 14 Uhr sollte es trocken bei 24 Grad bleiben. Danach wurde regional hier und da ein Schauer vorhergesagt. Damit konnten wir leben.

Nach einem ausgiebigen Abendessen tranken wir noch in der untergehenden Sonne ein paar alkoholfreie Bierchen und gingen dann zeitig schlafen. Den Wecker hatten wir auf 4:15 Uhr gestellt, da Harry um 5:30 Uhr an den Start musste. In der 2 km entfernten Belchenhalle hatten wir das Frühstück eingeplant.

Sonntag 10. September
Wie immer, war ich kurz bevor der Wecker klingelte, wach. Ich hass meinen Weckton. Welcher normale Mensch steht sonntags freiwillig um diese Zeit auf um den halben Tag damit zu verbringen, sich über steile Schwarzwaldberge zu quälen? Aber seid mal ehrlich. Wir Radfahrer sind ja auch nicht ganz normal. Was solls.

Es war stockfinster und es kostete uns reichlich Überwindung in die Radsportsachen zu schlüpfen und dann mit voller Radbeleuchtung zum Start zu radeln. Auf dem Weg dahin wurde kein Wort gesprochen. Saskia war wahrscheinlich genauso wie ich im mentalen Anflug auf die bevorstehenden Strapazen. Was würde der Tag uns bringen? Egal. Erstmal vernünftig Frühstücken und vor allem Kaffee. Ein Start in den Tag ohne Kaffee ist ein halber Tag. Als wir in der Belchenhalle ankamen roch es aber nicht nach Kaffee und zum Frühstück gab es nur ein paar Milchbrötchen. Irgendeiner hatte es versäumt, die große Kaffeemaschine rechtzeitig anzustellen. Mittlere Katastrophe. Harry startet ohne Kaffee in den Tag. Ein Verantwortlicher versprach uns ein reichhaltiges Frühstück an der ersten Kontrolle in Schönau.

Haha, der wollte uns nur loswerden.

Im Startbereich hielten sich schon etliche Fahrer auf. Gut 140 Wahnsinnige wollten die 260 km mit 6500 Höhenmetern unter die Räder nehmen. Sieht man bei vielen Veranstaltungen Starter mit kleinen oder größeren Wohlstandsbäuchen, standen hier nur durchtrainierte Menschen herum. 6500 Höhenmeter fährt wohl keiner nur zum Jux. Einen Großteil von denen würde ich sowieso nur am Start sehen. Zu schnell für mich.

Pünktlich um 5:30 Uhr wurde die Strecke freigegeben. Saskia hatte noch 1 Stunde Zeit bis zu ihrem Start. Wie ich erwartet hatte donnerte eine größere Gruppe von ca. 50 Fahrern an mir vorbei. Ob die wohl wussten, was noch vor ihnen lag? Sicherlich. Ich hatte mir eine Nettozeit von unter 13 Stunden vorgenommen. Nach dem Start war nix mehr flach. Es ging sofort 12 km im Finsteren bergauf zum Kreuzweg. Kein Wort war zu hören. Alle waren in sich gekehrt. Es galt jetzt das richtig Tempo zu finden, in den richtigen Trittrhythmus zu kommen. Die Lichter schlängelten sich die Kehren hoch. Ganz oben erkannte ich schon die Lichter der schnellen Truppe. Rote Lichter vor mir, weiße Lichter im Rücken. Ich war erstaunt, wie gut ich mit den anderen Fahrern mitgehen konnte. Naja, so ganz untrainiert war ich ja auch nicht. Nach 750 Höhenmetern erreichte ich die erste Stempelbox und ab ging es die gleiche Strecke bergab bis zum Abzweig Stuhlebene. Geschätzte 60 Fahrer quälten sich über die Höhenmeter, die ich schon hinter mir gelassen hatte. Damit hatte ich nicht wirklich gerechnet. Aber es lagen ja noch 5800 Höhenmeter vor mir.

Langsam wurde es heller und die ersten zaghaften Sonnenstrahlen wärmten mich. Nach gut 30 km und 1000 Höhenmetern erreichte ich in Schönau den ersten Kontrollpunkt. Ich konnte es gar nicht glauben. Es gab frischen, heißen Kaffee und Brote mit Käse und Schwarzwälder Schinken, Obst und Müsli. Keine Riegel, keine Eierwaffeln und kein Isozeug. Der Helfer am Start hatte nicht übertrieben.

Weiter ging es.

Hoch zum Weißenbachsattelmit 11 km und 550 Höhenmetern einer der einfacheren Anstiege und nach der Abfahrt sofort in den 600 Höhenmeter Anstieg zum Schauinsland. Belohnt wurde ich mit einem Blick in die Rheinebene bis hinüber in die Vogesen. 65 km und 2000 Höhenmeter lagen nun schon hinter mir und ich fühlte mich noch erstaunlich gut. Ich hielt mich nicht lange an der Verpflegungsstelle auf. Zum Einen wehte dort oben ein kräftiger Wind und ich wollte nicht auskühlen, zum Anderen musste ich bis 12:45 Uhr die Auffahrt zum Brend erreichen. Nach rasanter Abfahrt passierte ich Oberried und befand mich gleich darauf schon im Anstieg zum Thurner. Dort überholte ich einen Radfahrer mit einem Kinderanhänger. Zum Glück für meine Psyche war es nicht umgekehrt. Wer, kommt auf solch eine Idee, mit einem Anhänger den Thurner hoch zu fahren? Der Thurner ist nicht ganz ohne, aber nach gut 600 Höhenmetern hatte ich den Gipfel auch schon erreicht und die Belohnung wartete auch mich in Form von heißer, leckerer Kartoffelsuppe und Frikadellen. Auch der Apfel – Mango – Saft war sehr erfrischend. Fast 2 Stunden bevor die Auffahrt zum Brend geschlossen wurde startete ich in den 580 Höhenmeter Anstieg. Igelig zu fahren. Wenn ich glaubte fast oben zu sein lehnte sich der Berg zurück und zog die letzten beiden Kilometer stark an und ärgerte mich mit echt fiesen Rampen. Mit 6:13 Stunden nach 120 Kilometern war ich noch voll in meinem angepeilten Zeitfenster von 13 Stunden.

Aaaaaber. Die beiden härtesten Berge, der Kandel und direkt im Anschluss der Rinken, lagen noch vor mir. Die folgende Abfahrt ins Nonnenbachtal war der wildeste und gefährlichste Teil der Tour. Eine kleine Forststraße mit sehr engen und zum Teil verschmutzten Kurven und ein kurzer Abschnitt Naturstraße, erforderte vollste Konzentration. Zum Glück gab es dort nur einen Sturz, der mit einer gebrochenen Gabel aber ohne große Verletzungen des Fahrers, ausging.

Nach 146 km erreichte ich gut gelaunt Waldkirch am Fuß der berühmten Kandelauffahrt. Jan Ulbrich hasste diesen Berg und vermied ihn im Training wenn möglich. Der Kandel hat die längste und im Durchschnitt steilste Auffahrt die man im Schwarzwald finden kann.

Langsam zogen erste Wolken, auf aber ich war mir sicher trocken durch kommen zu können. Die ersten Kilometer sollten, laut meinen Recherchen, die härtesten sein. 10 bis 12 %, durchzogen von deutlich steileren Rampen.

Es war schon witzig, von Start an traf ich immer die gleichen Fahrer und Fahrerinnen. Man sah sich entweder an den Verpflegungsstationen oder sie überholten mich in den Abfahrten. An den Anstiegen sammelte ich wiederrum die Meisten wieder ein. Es wurde jedes Mal gegrüßt und irgendeiner hatte immer einen flotten Spruch parat. Wir hatten ja alle das gleiche Ziel. Ankommen im Münstertal.

Die 10 km lange mit 950 Höhenmetern gespickte Auffahrt zog sich wie Kaugummi. Bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 9 km/h war mir bewusst, dass ich mich noch eine gute Stunde quälen musste. Noch eine Rampe, dahinter der bedeckte Himmel. Das musste die letzte sein. Sie war es. Sechs Berge lagen hinter mir! Hammer!!! Am Verpflegungsstand füllte ich erstmal wieder meine Getränkeflaschen auf und war schon gedanklich bei der nächsten Herausforderung, dem Rinken. Ich hatte mir die Tour bisher gut eingeteilt. Meine Beine waren nicht mehr ganz so frisch, aber ok. Für die letzten 100 km sollte es doch reichen.

Die Abfahrt nach Oberried war sehr rasant. Im oberen Teil mit engen Kurven im unteren Teil über eine gute, ausgebaute Straße. Hier konnte ich laufen lassen. Oh, plötzlich spürte ich die ersten Regentropfen. Nach 2 Kilometern beruhigte sich das Wetter wieder und ich war mir fast sicher, trocken durch zu kommen. Die Auffahrt zum Rinken folgte am Anfang einem kleinen Bach durchs malerische Zastertal Richtung Feldberg. Da wo die Steigung merklich anzog, war die Straße für Autos gesperrt. Immerhin. Leichter Regen hatte schon wieder eingesetzt. Nun war ich mir überhaupt nicht mehr sicher einigermaßen trocken ins Ziel zu kommen. Wenn das Wetter so bleiben würde, wäre es aber für mich auch so ok gewesen. Wäre ja nicht die erste Regenfahrt in diesem Jahr gewesen und die letzten 60 km würden auch schon irgendwie vorbeigehen. Ich war fast alleine auf der Strecke. Der Anstieg wollte einfach kein Ende nehmen. Mit fast gleichmäßigen 10 % Steigung tat der Tritt in die Pedalen richtig weh und immer wenn ich um die nächste Kurve fuhr, taten sich weitere 200 m Steigung auf. Und das wieder und wieder. Die letzten 2 Kilometer wich der Asphalt einer Schotterpiste. Der immer stärker werdende Regen, die Naturstraße und die extreme Steigung verbesserte meine Laune nicht wirklich. Im Nachhinein war der Rinken für mich der härteste Berg. Von der Passhöhe bis zum Ospelehof, eine Scheune und die letzte Verpflegungsstation vor dem Ziel, waren es noch 8 Kilometer. Der Regen hatte sich mittlerweile zu einem starken Landregen gemausert. Die Temperatur fiel innerhalb von nur 30 Minuten unter 10 Grad. So blöde Sprüche wie: Was abregnet ist wenigstens unten oder bergauf spritzt du dir den Rücken nicht voll, kamen mir in den Sinn. Schnell hatte ich keinen einzigen trockenen Flecken mehr am Leib. Vor der 200 Höhenmeter Abfahrt zur Verpflegungsstation hatte ich ein wenig Bammel. Es strömte und strömte. In Sekundenschnelle wurde es mir eisig kalt. Die Füße klatschnass und kalt, die Hände hatten Schwierigkeiten zu greifen. So gefroren habe ich noch nie im Leben. Jetzt nur keinen Platten! Dann kam ein kleiner Gegenanstieg. Wie ich mich darüber freute. Da konnte ich mich ein wenig warm strampeln. Kurze Zeit später erreichte ich endlich den Ospelehof. Drinnen standen zwei Dutzend nasse, zitternde, ausgelaugte Radler, in Decken, Jacken, Tüten oder Schlafsäcken gehüllt unter Heizschirmen. Wie hat der Veranstalter nur so schnell Heizpilze auftreiben können? Unglaublich. Einer reichte mir einen halben Becher heiße Brühe. Ich hätte ihn umarmen können. Schnell fand auch ich einen Platz unter einen der Heizschirme. Als es nach gut 40 Minuten immer noch wolkenbruchartig am Regnen war, war mir und auch den Anderen klar, dass nach 200 Kilometern und 5500 Höhenmetern die Tour beendet war. Der Besenwagen brachte nach und nach die Fahrer ins 60 Kilometer entfernte Münsterthal zurück. Ich hatte Glück, dass Saskias Freund, obwohl durchgefroren ins Ziel gekommen, mich ziemlich schnell abholen konnte.

Fazit:
Eine noch junge Veranstaltung, super organisiert. Die steigenden Teilnehmerzahlen sprechen Bände. Ich hatte nie das Gefühl, ich wäre einer von vielen Fahrern. So eine Betreuung und Verpflegung habe ich in dieser Form selten erfahren. Den Schwarzwald mit seinen Bergen, wer sie mag, kann ich nur jeden ans Herz legen. Die Verpflegung war so exzellent, dass ich manchmal am Buffet gerne einfach sitzen geblieben wäre. Lob an den Veranstalter.

Leider war, auf Grund des Wetters, am letzten Kontrollpunkt die Tour für mich und viele andere beendet. Deshalb ist klar. Wir kommen wieder.

Saskia und ich freuen uns schon aufs nächste Jahr.

Daten:
200 km von 255 km Fahrstrecke absolviert.
Nettozeit: 10:38 Std.
Höhenmeter: 5468 Hm von 6500 Hm gefahren.